2015 erhielt ich an der Uni Kiel den Auftrag, einen schulbezogenen Artikel über Milch zu schreiben und chemische Experimente mit Milch vorzuschlagen; möglichst neuartig sollte es sein und in der Schule gut umsetzbar...

Dabei stieß ich auf den dänischen Wissenschaftler Alfred Wöhlk, der 1904 in Kopenhagen einen Nachweis für Milchzucker (Lactose) erfunden und in deutscher Sprache veröffentlicht hat. Schnell hatte ich den gewünschten Artikel recherchiert, das Experiment im Lehramtslabor des IPN mehrfach ausprobiert und so angepasst, dass es im Chemieunterricht gut durchgeführt werden kann.

Da es in der Historie des Experiments Ungereimtheiten gab, forschte ich weiter und fand immer mehr interessante Dinge heraus. Am Ende ist eine Doktorarbeit daraus entstanden:

Nachweis von Lactose (und Maltose) im Kontext Schule

Einige Seiten sind naturgemäß sehr wissenschaftlich formuliert, es gibt aber auch Seiten, die bewusst allgemeinverständlich gehalten sind, z. B. S. 33 ff. (pdf-Nummerierung: S. 51).

Nur wen es interessiert:

Die ganze Sache ging zunächst stückchenweise und unstrukturiert voran: Erst durfte ich die Wöhlk-Probe, die ab 1904 über 60 Jahre lang in halb Europa in der Urologie und im Kliniklabor angewendet worden war, in einer schulisch adaptierten Version bei der MNU-Tagung in Bremerhaven vorstellen.

Mein erster Vortrag über die Wöhlk-Probe Bremerhaven 2015
Abb. 1: Mein erster Vortrag über die Wöhlk-Probe (Foto mit freundlicher Genehmigung von Martin Schwab, www.fachreferent-chemie.de/fortbildung/mnu-bremerhaven-2015/)

Unter den ca. 50 Zuhörenden meines Vortrags am Mittag des 16. November 2015 saß in einer der vorderen Reihen Peter Slaby, der mit dem Laptop auf dem Schoß eine Gefährdungsbeurteilung schrieb und mich anschließend dazu anregte, auch für die bislang eingeklammert geschriebene Maltose einen Artikel zu schreiben. Dieser Hinweis war goldrichtig, denn Maltose kommt in der Schule insbesondere dann vor, wenn die Lehrkraft einen meiner Lieblingsversuche aus dem Bereich der Enzymatik durchführt, nämlich in Wasser gelöste Stärke mit Speichelamylase enzymatisch aufzuspalten. Dieser von mir recherchierte Artikel erschien dann im November 2016 in der Mitgliederzeitschrift der MNU unter dem Titel:

Stärkeverdauung durch Speichel - was kommt eigentlich dabei heraus? Ein einfacher Maltose-Nachweise am Ende der enzymatischen Hydrolyse von Amylose und die überraschende Anwesenheit von Glucose im Verhältnis 1:15.

Meine Chefin Ilka Parchmann freute sich und gab mir den Tipp, mich auch einmal an Peter Heinzerling zu wenden: Der war nämlich kurz davor, ein Themenheft zur Geschichte der Chemie herauszugeben. Gleichzeitig bat sie mich, zur Europa-Woche an der Uni Kiel einen Beitrag zu gestalten, denn mittlerweile hatte ich die Arbeiten von Forschenden aus Dänemark, Österreich, Schweiz, Russland und Irland zusammengetragen. So gab es im Juni 2016 einen Europa-Vortrag im gut gefüllten IPN-Hörsaal in der Olshausenstr. 62 in Kiel, und der chemiehistorische Artikel erschien im Dezember 2016:

Dem Milchzucker auf der Spur - eine europäische Detektivgeschichte.

In der Zwischenzeit hatte ich auch immer wieder versucht, etwas zur chemischen Struktur des roten Farbstoffs herauszufinden, der die Anwesenheit von Lactose und Maltose nachweist. Hierzu hatte ich nicht nur mit meiner jungen Kollegin Julia Hain aus der Abteilung von Thisbe Lindhorst zusammengearbeitet, sondern auch mit meinem alten Biochemie-Professor Lothar Jaenicke in Köln und mit der Lebensmittelchemikerin Petra Mischnick in Braunschweig korrespondiert. Das Ergebnis dieser Arbeiten ist seit September 2017 in der Zeitschrift Chemie in unserer Zeit im Artikel und Supplement

Auf der Spur der roten Farbe - Ein historischer Lactose-Nachweis wiederentdeckt nachzulesen.

Bei einem Pausengespräch auf der Niedersachsen-Tagung der MNU im Herbst 2018 traf ich Maike Busker, die sich meine Geschichte interessiert anhörte und mir einen Labor-Arbeitsplatz in ihrem Institut an der Europa-Universität in Flensburg in Aussicht stellte. Da meine Chefin mit einer Doktorarbeit als Kooperationsprojekt Kiel-Flensburg einverstanden war, begann ich im Februar 2019 regelmäßige Untersuchungen an einem UV-Vis-Spektrometer in Flensburg, das sogar einen beheizbaren Küvettenhalter besaß: Damit konnte ich die rote Farbe aus dem Lactose-Nachweis bereits während ihrer Entstehung messen und musste nicht mehr mit einer heißen Küvette quer durch das ganze Labor rennen!

Kussler

continuabitur

 

Viel Spaß beim Lesen!