Lustige Menschen

Jedem begegnen im Laufe seines Lebens mehr oder weniger lustige Menschen. Als Schüler eines humanistischen Gymnasiums habe ich wie viele andere auch im Lateinunterricht die Geschichte vom Aufstand der Plebejer übersetzt, während dessen Agrippa Menenius Lanatus die Parabel vom Darm und den Gliedern (es gibt über 150 Versionen dieser Geschichte) einsetzt, um Frieden zwischen den Kontrahenten zu schaffen. Kurz gefasst geht es darum, dass nicht nur das Gehirn und das Herz, sondern auch der Darm und sogar der Anus wichtige Organe sind, ohne die ein Körper nicht funktionieren kann. Ein solcher Anus ist zum Beispiel mein ehemaliger Fachleiter Pädagogik Detlef Pasing (Name geändert) von der Liebfrauenschule Bensheim, der mich im November 1990 als Deutschlehrer ohne Deutschkenntnisse mit folgenden Worten im Kreise der auszubildenden Lehrkräfte vorstellte: "Ei gugge se mo doo, des is de Hee Rubbelsbälsch, dä hätt boo Joo bausiert!" (Ei schauen Sie einmal hier, das ist der Herr Ruppersberg, der hat ein paar Jahre pausiert!). Die korrekte Aussage wäre etwa so gewesen: "Heute darf ich Ihnen Herrn Ruppersberg vorstellen, er hat vier schlimme Jahre der Lehrerarbeitslosigkeit* mit Tätigkeiten in der chemischen Industrie überbrückt!" Zuerst habe ich mich darüber geärgert, aber im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass man mit Milde auf Unverstand und kleine Boshaftigkeiten blicken soll, denn sonst wird es schwer, ein glücklicher Mensch zu sein. (* Erläuterung: 1986 gab es allein in Nordrhein-Westfalen 40.000 arbeitslose Lehrkräfte.)
Als gebürtigem Kölner unterläuft mir mitunter das Missverständnis, dass mundartsprechende Menschen wie bei einer Büttenrede immer lustig und geistreich sind. Einige Beispiele beweisen das Gegenteil, und es gibt alle Kombinationen.
Nun noch ein harmloseres Beispiel zur hessischen Konsonatenvertauschung: Viele wissen, dass eine Grippe in Hessen keine Krankheit ist, sondern das Ding, worin das Jesuskind liegt. Die Krankheit wäre daher die Kribb oder Kribbe. Jetzt ahnen Sie auch schon, was eine Klogge ist, sie läutet im Kirchturm. Nun zurück zu meinem "Lieblingsmenschen" an der LFS Bensheim: Kurze Zeit nach mir kam eine neue Referendarin an die Schule, eine hochgewachsene, hübsche, schlanke junge Frau mit moderner Kurzhaarfrisur und blondem Haar. Direkt aus Hannover, dem Gebiet des reinsten Hochdeutschs, kommend und wohl noch nie mit Mundarten zu tun gehabt habend, bekam sie die Ausbildung an unserer Schule wie folgt erklärt: "Ei passe Se ma uff, zuerscht, do han mir de pekleidete Unnarischt, und dann, dann kimmt der unpekleidete Unnarischt!" Es dauerte lange, bis sich ihre Gesichtsfarbe normalisierte, denn sie hatte natürlich an etwas merkwürdiges gedacht...
Auch Goethe hat Mundart gesprochen, denn "Ach neige, du Schmerzenreiche..."  reimt sich nur, wenn man "frankforderisch" spricht.
Mit Mundarten kann man Gefühle besser ausdrücken als im Hochdeutschen: "Isch han disch esu jähn" ist doch viel emotionaler als "Ich liebe dich!" Gerade deshalb liebe ich Mundarten, insbesondere die südwestpfälzische Mundart meiner Frau, die aus Kusel stammt, und natürlich meine eigene Mundart, die auch gleichzeitig ein Getränk ist: Kölsch!
Meine Urgroßmutter in Marburg, Elisabeth Ruppersberg geb. Hintze, sagte nach familiären Überlieferungen zu meinem Großonkel Otto, als er eine Stellung in Frankfurt am Main annehmen wollte. "Aber Otto! Du wirst doch wohl nicht zu diesen ... (Kunstpause) ... Darm-Hessen gehen wollen!" Damit meinte sie, dass Menschen im Regierungsbezirk Darmstadt unangenehm sein könnten. Dies kann man, bis auf den oben erwähnten Fall, getrost als ein unbegründetes Vorurteil bezeichnen. Die Menschen im Regierungsbezirk Darmstadt sind mit Mehrheit nette, freundliche Menschen, die sich Neuankömmlingen gegenüber positiv verhalten.

Aus meiner Konstanzer Zeit (1988-1990) kann ich leider von Fremdenfeindlichkeit berichten: Nicht nur, dass man im Restaurant unfreundlich behandelt wurde, wenn man auf hochdeutsch nach der Speisekarte fragte, man bekam auch eine andere Karte ("Turischtekaart") ausgehändigt, in der 10-20 Prozent höhere Preise standen als in der Einheimischenkarte. In der Firma Dentsply in Konstanz-Wollmatingen drehten mir einige Mitarbeiter den Allerwertesten zu, wenn sie sich im Flur unterhielten und sprachen dann noch intensiver als sonst ihren süddeutschen Slang, der schwäbisch, badisch oder schwiizerdütsch sein konnte. Wenn ich gemeint war, konnte ich das daran erkennen, dass im Schwall der Worte der Begriff "Fischkopf" zu erkennen war. Dies erging auch den Kolleg*innen aus Hamburg, Braunschweig und Berlin so: Allesamt stammten wir aus der kurzsichtigen Brille einiger Konstanzer Kolleg*innen von der Küste des Meeres! Aus dieser Zeit habe ich vieles gelernt und kann Menschen, die auf Grund ihrer Herkunft diskriminiert werden, gut verstehen. Als Konsequenz habe ich einen Kasten "Rothaus Tannenzäpfle" gekauft und auf meinem Balkon in Konstanz-Petershausen, Am Briel 49 a, ein "Fischkopf-Meeting" veranstaltet! Eine freundliche Ausnahme war der Leiter des Lagers, der mir bei der Ankündigung meiner Kündigung durch meinen planlosen* Chef mit seiner tiefen, ruhigen Stimme einen guten Rat gab: "Ei Herr Ruppersberg, Sie ware doch bei de Bundeswehr! Rufe Se doch ma an in Donaueschinge beim Kreiswehrersatzamt, Se brauche ganz dringend e Wehrübung in Stette am kalde Markt oder sonschtwo, do könne Se dann ganz in Ruh überlege, was Se mache wolle!"
(* planlos deshalb, weil innerhalb von kurzer Zeit etwa ein Dutzend neue Mitarbeiter eingestellt, umfangreich eingearbeitet und ohne ersichtlichen Grund wieder entlassen oder abgefunden wurden).
Ich bekam tatsächlich eine vierwöchige "betriebliche Denkpause" durch eine Wehrübung bei der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt, wo im November 1989 die Nächte minus 25 Grad Celsius hatten und es im Soldatenheim sehr leckere Schnitzel gab. Meine Kenntnisse im Kryptowesen, damals bezogen auf das Verschlüsselungsgerät Elcrotel und den Fernschreiber Siemens T100 mit maximal 400 Zeichen pro Minute wurden vom Fernmeldesektor Schwäbische Alb anerkannt und man schickte mich noch einmal vier Wochen auf Lehrgang in meine Heimatstadt Köln.
Danach verabschiedete ich mich von der Firma Dentsply und nahm am 1.11.1990 mein Referendariat (Abb. 1) in Bensheim an der Bergstraße auf, wo ich besonders bei der Chemieausbildung unter Jürgen Mang viel Spaß hatte. Jürgen Mang ist leider am 6.2.2020 im Alter von nur 71 Jahren verstorben.

Ruppersberg, Ernennung zum Studienreferendar in Bensheim an der Bergstraße
Abb. 1: Meine Ernennung zum Studienreferendar am Staatlichen Studienseminar in Bensheim an der Bergstraße

Erzählenswert ist auch eine weitere Episode aus Liebfrauenschule, einer katholischen Mädchenschule: Im Biologieunterricht steuerten wir gemäß Lehrplan auf das Thema Sexualkunde zu. Pflichtgemäß nahm ich Kontakt zur Schulleitung auf und stellte mein Konzept vor; die Direktorin Frau Dr. Mitterer war einverstanden. Mit dem zur Verfügung stehenden Lehrmaterial wurde die Frage "Wie entsteht ein Kind?" erarbeitet und am Ende wurde als Beispiel für ein kirchlich akzeptiertes Verhütungsmittel das Kondom vorgestellt. Hierzu hatte ich 15 Bananen und 15 Kondome mitgebracht, die Schülerinnen arbeiteten diszipliniert und sorgfältig, anschließend wurden zur großen Freude der Schülerinnen die Kondome als Belastungstest aufgepustet und zum Platzen gebracht, die Bananen wurden geschält und aufgegessen (keine Lebensmittel verschwendet!) und rechtzeitig zum Klingelzeichen war der Klassenraum wieder sauber und ordentlich. Mit dem überschwänglichen Gefühl, alle Lernziele erreicht zu haben, kam ich zur Pause ins Lehrerzimmer. Vor mir stand eine Wand von KollegInnen mit verschränkten Armen: "Du glaubst doch wohl nicht, dass im gegenüberliegenden Gebäudeteil noch regulärer Unterricht möglich war?!" Tatsächlich hatten meine Schülerinnen und ich nicht bemerkt, dass nur durch eine schmale Straße getrennt ca. neun andere Klassen hinter den Fenstern standen und uns beobachteten, wie wir mit Kondomen und Bananen hantierten. Ich entschuldigte mich bei den KollegInnen, aber insgeheim musste ich lachen, und wie mir berichtet wurde, war ich dabei nicht der einzige...

Obertshausen und Offenbach, Ausflug nach Mainz und zu Henkel Düsseldorf

Im Chemieunterricht an der Bertha-Krupp-Realschule in Essen steuerten wir im Frühjahr 1994 auf das Thermitverfahren zu. Dabei werden von den SchülerInnen exakt abgewogene Mengen von Eisenoxid und Aluminium in einem Blumentopf, der auf dem freien Schulhof in einem Metallständer steht, mit Hilfe einer brennenden Wunderkerze zur Reaktion gebracht. Wenn das Experiment richtig vorbereitet wurde, gibt es eine Stichflamme noch oben (von dem Magnesium, das zur Erhöhung der Anregungsenergie aufgestreut wurde) und unten aus dem Loch des Blumentopfes fließt flüssiges Eisen. Zur Sicherheit hielten wir einen Abstand von ca. 20 Metern, und Herr Lotter, unser Schulleiter, war eingeladen, sich das Schauspiel mit uns anzusehen. Alles war gut vorbereitet, wir hatten sogar Kehrschaufen und Besen dabei, ein Schüler steckt die Wunderkerze mittig in das Gemisch, entfernt sich rasch und WUSCHSCH Stichflamme oben, flüssiges Eisen unten. Was wir nicht ahnten und was Herrn Lotter sehr traurig machte, war der in Brand geratene Asphalt unter dem flüssigen Eisen. So etwas hatte ich auch noch nicht gesehen, meine SchülerInnen staunten auch. "Sollte man einen derartigen Brand mit Wasser löschen?" "Nein", kam die Antwort, "mit Sand!" Und so löschten meine SchülerInnen einen Asphalt-Brand mit Sand aus der nahegelegenen Sprunggrube. Ich fand es toll, wie umsichtig meine SchülerInnen auf eine unvorhergesehene Situation reagieren konnten, aber Herr Lotter war traurig, dass sein Schulhof gebrannt hatte. Ein tolles Beispiel -nicht in der Schule nachmachen!- gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=aFvSXQtaCeM

Herne Mont-Cenis-Gesamtschule

Wattenscheid und Burnout 2006/2007

Neubeginn im Norden: Domschule und Ellingstedt 2010

Abordnung an die Uni Kiel 2014

Im Jahre 2017 nahm ich an einem Kongress für Naturwissenschaftler und Mathematiker an der Universität Aachen teil, es war der 108. MNU-Bundeskongress. Frau Prof. Dr. Johanna Heitzer eröffnete den Kongress mit einer Rede, in der sie fragte: "108 - was will diese Zahl uns sagen? Die Zahl 108 lässt sich darstellen als 5 hoch 2 mal 2 hoch 2 plus 2 hoch drei! Eine derartige Kombination wird erst nach vielen Tausend Jahren wieder möglich sein! (Tosender Beifall von ca. 500 Zuhörenden).

Doktorarbeit in Flensburg 2018-2021

Sprachen, Amateurfunk und Ahnenforschung als Hobbys

 

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